Die Grenzen der Personalauswahl: Ein Blick auf 100 Jahre Kritik und Erkenntnis

Einleitung: Warum Kritik an Auswahlverfahren wichtig bleibt

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gibt es den Versuch, berufliche Eignung mit Tests, Interviews und Simulationen möglichst objektiv vorherzusagen. Gleichzeitig ziehen sich Zweifel durch die gesamte Forschungsgeschichte: Lässt sich Eignung überhaupt zuverlässig messen? Welche Grenzen sind prinzipiell nicht überwindbar? Dieser Artikel fasst die zentralen Kritiken zur Personalauswahl aus den letzten 100 Jahren zusammen und bewertet ihre heutige Relevanz.

Frühe Kritik an Tests und subjektiven Urteilen

Walter Lippmann argumentierte bereits 1922, dass Intelligenztests Menschen auf Zahlen reduzierten und kulturell verzerrt seien. Tatsächlich zeigen aktuelle Studien, dass Intelligenztests nur 10–15 % der Unterschiede in Berufserfolg erklären. Paul Meehl belegte 1954 empirisch, dass subjektive Urteile unzuverlässig sind und statistische Modelle deutlich überlegen. Diese beiden Linien – Reduktionismus-Kritik einerseits und die Forderung nach mehr Struktur und Objektivität andererseits – markieren den Beginn der modernen Eignungsdiagnostik.

Persönlichkeit, Verhalten und das Kriteriumsproblem

Guion & Gottier kritisierten 1965, dass Persönlichkeitstests kaum valide seien. Erst mit den Big Five zeigten sich kleine bis moderate Zusammenhänge, insbesondere über Gewissenhaftigkeit. Walter Mischel machte 1968 deutlich, dass Verhalten stark situationsabhängig ist, sodass Traits nur bedingt Prognosekraft besitzen. Ergänzend wies Austin & Villanova 1992 auf das „Kriteriumsproblem“ hin: Berufserfolg ist multidimensional, instabil und daher schwer eindeutig messbar. Diese Grundkritik bleibt bis heute bestehen – jede Validierungsstudie hängt davon ab, welches Erfolgskriterium überhaupt zugrunde gelegt wird.

Neue Verfahren und Revisionen: Von ACs bis Meta-Analysen

Morgeson et al. (2007) stellten fest, dass Persönlichkeitstests nur geringe Anteile der Leistung erklären und zudem leicht verfälscht werden können. Lance et al. (2011) zeigten, dass Assessment-Center eher Übungseffekte als stabile Eigenschaften messen. Besonders einschneidend ist die Revision durch Sackett et al. (2022/23): Validitäten liegen niedriger als lange angenommen, auch Kombinationen erklären nur 10–15 % der Varianz. Damit ist klar: Es gibt kein überlegenes Einzelverfahren, sondern nur multimodale Ansätze mit begrenzter Prognosekraft.

Schlussfolgerung: Was bedeutet das für die Praxis und den Empfehlungsbund?

Die Geschichte zeigt: Kritik an Auswahlverfahren ist keine Randnotiz, sondern ein notwendiges Korrektiv. Sie verdeutlicht, dass Personalauswahl helfen kann, Fehler zu reduzieren – aber nie perfekte Vorhersagen liefert. Unternehmen sollten Verfahren kombinieren, die Grenzen offen kommunizieren und zusätzliche Wege nutzen, um Talente zu finden. Hier setzt der Empfehlungsbund an: Neben klassischen Methoden ermöglicht er einen Peer-Review-Ansatz, bei dem Kandidaten von unabhängigen Kollegen aus der gleichen Branche empfohlen werden. So entsteht ein praxisnahes Korrektiv, das die bekannten Grenzen psychologischer Tests sinnvoll ergänzt.

 

100 Jahre Kritiken der Personalauswahl

 

 

Quellen
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